Das „Schwarzbuch des Kommunismus“

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„Denn ein solches Phänomen in der Menschengeschichte vergißt sich nicht mehr, weil es eine Anlage und ein Vermögen in der menschlichen Natur zum Besseren aufgedeckt hat, dergleichen kein Politiker aus dem bisherigen Laufe der Dinge herausgeklügelt hätte, und welches allein Natur und Freiheit, nach inneren Rechtsprincipien im Menschengeschlechte vereinigt, aber, was die Zeit betrifft, nur als unbestimmt und Begebenheit aus Zufall verheißen konnte.

Aber wenn der bei dieser Begebenheit beabsichtigte Zweck auch jetzt nicht erreicht würde, wenn die Revolution oder Reform der Verfassung eines Volks gegen das Ende doch fehlschlüge, oder, nachdem diese einige Zeit gewährt hätte, doch wiederum alles ins vorige Gleis zurückgebracht würde (wie Politiker jetzt wahrsagern), so verliert jene philosophische Vorhersagung doch nichts von ihrer Kraft. – Denn jene Begebenheit ist zu groß, zu sehr mit dem Interesse der Menschheit verwebt und ihrem Einflusse nach auf die Welt in allen ihren Theilen zu ausgebreitet, als daß sie nicht den Völkern bei irgend einer Veranlassung günstiger Umstände in Erinnerung gebracht und zu Wiederholung neuer Versuche dieser Art erweckt werden sollte…“

Immanuel Kant: „Der Streit der Facultäten“ (1798)

„Dieses Problem gilt es zu lösen: Ist der Gang der Ereignisse tatsächlich ein Kontinuum, oder handelt es sich um zwei Ereignisstränge, die eng miteinander verschlungen sind, aber trotz allem auf verschiedene Ursachen verweisen, auf zwei verschiedene politische und moralische Welten? Wenn wir es nicht schaffen, dieses Problem zu lösen, können wir noch heute durch Nachlässigkeit gefährlich werden. Denn die unreflektierte Vergangenheit wiederbelebt die schlimmsten Vorurteile und hindert das geschichtliche Bewußtsein daran, auf die politische Ebene vorzudringen.“

Michail Gefter: „Staline est mort hier“, L’Homme et la société, Nr. 2/3, 1988

Im Jahre 1798, inmitten einer Periode der Reaktion, schrieb Immanuel Kant über die Französische Revolution, ein solches Ereignis werde, trotz Niederlagen und Rückschläge, nicht in Vergessenheit geraten. Denn die zerrissene Zeit habe, und sei es nur flüchtig, die Verheißung einer befreiten Menschheit aufleuchten sehen.

Kant hatte recht. Unser Problem ist heute, ob die mit dem Namen der Oktoberrevolution verbundene große Verheißung, diese Erschütterung der Welt, dieser aus der Finsternis des großen Schlachtens im Ersten Weltkrieg herausbrechende Lichtstrahl auch „den Völkern in Erinnerung gebracht“ werden kann. Darum geht es, nicht um eine „Erinnerungspflicht“ (was heute ein abgegriffenes Wort ist), sondern um eine Arbeit und einen Kampf für die Erinnerung.

Der 80. Jahrestag der Oktoberrevolution von 1917 wäre fast unbemerkt verstrichen. Der Veröffentlichung des Schwarzbuchs gebührt immerhin das Verdienst, die Frage des Oktober wieder aufs Tapet zu bringen. Der Streit über dessen Einschätzung wird unversöhnlich bleiben. Stéphane Courtois, der das Gesamtwerk verantwortet, hat als Ziel der Operation klar benannt, eine strikte Kontinuität und eine perfekte Kohärenz von Kommunismus und Stalinismus, Lenin und Stalin, ursprünglicher revolutionärer Ausstrahlung und schließlichem Ende unter der Eisdecke des Gulag zu etablieren: „Stalinismus und Kommunismus, das ist dasselbe“, schreibt er im Journal du Dimanche.

Es ist entscheidend, ohne Umschweife die Frage zu beantworten, die der bedeutende sowjetische Historiker Michail Gefter stellt: „Dieses Problem gilt es zu lösen: Ist der Gang der Ereignisse tatsächlich ein Kontinuum, oder handelt es sich um zwei Ereignisstränge, die eng miteinander verschlungen sind, aber trotz allem auf verschiedene Ursachen verweisen, auf zwei verschiedene politische und moralische Welten?“

Eine zentrale Frage, von der sowohl die Fähigkeit abhängt, das zu Ende gehende Jahrhundert zu verstehen, wie auch unsere Handlungslinien in dem stürmischen Jahrhundert, das vor uns liegt: Wäre der Stalinismus nur, wie manche behaupten oder einräumen, eine einfache „Abweichung“ oder „tragische Verlängerung“ des kommunistischen Projekts, so müßte man daraus zu seinen Ungunsten die radikalsten Schlußfolgerungen ziehen.

Ein Fin-de-siècle-Prozeß

Genau darauf wollen die Autoren des Schwarzbuchs hinaus. Der einigermaßen anachronistische Ton des Kalten Kriegers, den Stéphane Courtois und einige in der Presse erschienenen Artikel anschlagen, verwunderte. Da der Kapitalismus, schamhaft in „Demokratie des Marktes“ umgetauft, sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gerne als einzige Alternative, als absoluter Sieger am Ende des Jahrhunderts proklamiert hat, deckt diese Erbitterung in Wirklichkeit eine große verdrängte Angst auf: Die Sorge, die vom kapitalistischen System geschlagenen Wunden und seine Laster könnten jetzt, da sein bürokratisches Gegenstück und bestes Alibi verschwunden ist, um so greller sichtbar werden. Es kommt also darauf an, zur präventiven Dämonisierung all dessen zu schreiten, was auf eine mögliche andere Zukunft verweist.

In der Tat erlaubt erst das katastrophale Verschwinden des stalinistischen Rivalen, mit der die bürokratische Usurpation endete, daß das Gespenst des Kommunismus aufs neue in der Welt umgehen kann.

Wieviele ehemalige eifrige Stalinisten haben aufgehört sich als Kommunisten zu verstehen, als sie sich vom Stalinismus abwandten – weil sie Stalinismus und Kommunismus nie auseinanderhalten konnten –, um sich dem Liberalismus mit der Inbrunst neuer Konvertiten in die Arme zu werfen? Stalinismus und Kommunismus sind nicht nur verschieden, sondern unaufhebbar antagonistisch. Und die Erinnerung an diesen Unterschied ist nicht die geringste der Pflichten, die wir gegenüber den kommunistischen Opfern des Stalinismus haben.

Der Stalinismus ist nicht eine Variante des Kommunismus, sondern die Bezeichnung für die bürokratische Konterrevolution. Daß die ehrlichen Aktiven in der Vordringlichkeit des Kampfes gegen den Nazismus und gegen die Konsequenzen der Weltkrise in der Zwischenkriegszeit sich dessen nicht rechtzeitig bewußt wurden, daß sie weiterhin großherzig ihre zerrissenen Existenzen hingaben, ändert daran nichts. Es handelt sich sehr wohl – um die Frage von Michail Gefter zu beantworten – um „zwei politisch und moralisch verschiedene“ und einander unversöhnlich gegenüberstehende „Welten“. Diese Antwort steht im Widerspruch zu den Schlußfolgerungen von Stéphane Courtois im Schwarzbuch.

Manchmal leugnet Courtois ein Nürnberg für den Kommunismus verlangt zu haben, wahrscheinlich weil es ihm unangenehm ist, damit eine Herrn Le Pen teure Formel aufgegriffen zu haben. Doch die Inszenierung des Schwarzbuchs legt nicht nur die Verwischung der Unterschiede zwischen Nazismus und Kommunismus nahe, sondern banalisiert sie auch, indem suggeriert wird, der rein „objektive“ rechnerische Vergleich gehe zum Vorteil des Nazismus aus: 25 Millionen Tote gegen 100 Millionen Tote, 20 Jahre Terror gegen 60 Jahre Terror. Die Banderole, die die Erstauflage des Schwarzbuchs in Frankreich zierte, warb marktschreierisch mit 100 Millionen Toten. Die Autoren kommen auf 85 Millionen Tote. Courtois macht nicht viel Federlesens um 15 Millionen Tote mehr oder weniger. Er versetzt Leichenberge mit der Schöpfkelle. Diese makabre pauschale Buchhaltung, die Länder, Perioden, Ursachen und Fronten vermischt, wirkt zynisch und zeugt von Geringschätzung für die Opfer selbst.

Für die Sowjetunion kommt diese Buchhaltung auf insgesamt 20 Millionen Opfer, wobei unklar bleibt, worauf sich diese Zahl genau bezieht. In seinem Beitrag im Schwarzbuch korrigiert Nicolas Werth die gängigen Schätzungen eher nach unten. Ihm zufolge schätzen die Historiker heute in Kenntnis der Archive die Zahl der Opfer der großen Säuberungen von 1936 bis 1938 auf 690000. Das ist eine ungeheure Zahl, angesichts derer der Schrecken bereits im Halse stecken bleibt. Er kommt weiterhin auf 2 Millionen Gefangene in den Lagern des Gulag in Jahresdurchschnitt, wobei ein höherer Prozentsatz als bisher angenommen wieder freikam und durch neue Gefangene ersetzt wurde. Um auf die Gesamtzahl von 20 Millionen zu kommen, müßte man zu den Opfern der Säuberungen und des Gulag diejenigen der beiden großen Hungersnöte (5 Millionen 1921/22 und 6 Millionen 1932/33) und des Bürgerkriegs hinzuzählen. Doch auch die Autoren des Schwarzbuchs konnten – das liegt in der Sache – nicht aufzeigen, daß es sich hierbei um “Verbrechen des Kommunismus” handelt, also um eine kaltblütig beschlossene Ausrottung.

Mit derartig ideologisch motivierten Verfahren wäre es nicht schwierig, ein “Rotbuch der Verbrechen des Kapitals” zu schreiben, indem man die Opfer der kolonialen Plünderungen und Völkermorde, der Weltkriege, des Fabriksystems, der Epidemien, der andauernden Hungersnöte nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Jetztzeit zusammenzählt. Im allzu oft ignorierten zweiten Teil ihrer Trilogie sah Hannah Arendt im modernen Imperialismus den Totalitarismus angelegt und in den kolonialen Konzentrationslagern Afrikas das Vorspiel zu so manchen späteren Konzentrationslagern (Hannah Arendt, Die Ursprünge des Totalitarismus, Bd. 2: Der Imperialismus).

Wenn es nicht mehr darum geht, sich mit einem konkreten Regime, einer Periode oder konkreten Konflikten auseinanderzusetzen, sondern eine Idee zu kriminalisieren, wieviele Tote im Lauf der Jahrhunderte wird man dem Christentum und den Evangelien zumessen, wieviele dem Liberalismus und seiner Laisser-faire-Ideologie? Selbst wenn man die phantastischen Rechnungen, die Courtois anstellt, akzeptieren wollte, würde klar, daß der Kapitalismus Rußland im Laufe des 20. Jahrhunderts und in zwei Weltkriegen weit mehr als die 20 Millionen Tote gekostet hat, die auf das Konto des Stalinismus gebucht werden.

Die Verbrechen des Stalinismus sind abscheulich, massiv und schrecklich genug. Sie brauchen nicht übertrieben dargestellt zu werden. Außer es geht darum, willentlich die Spuren der Geschichte zu verwischen, so wie man es auch anläßlich des 200. Jahrestags der Französischen Revolution versucht hat, als gewisse Historiker diese Revolution nicht nur verantwortlich machten für den Terreur oder die Vendée, sondern auch für die Toten des weißen Terrors, die Toten der Verteidigung gegen den Interventionskrieg der europäischen Dynastien und sogar für die Opfer der napoleonischen Feldzüge!

Daß es legitim und nützlich sei, Nazismus und Stalinismus zu vergleichen ist nicht neu – sprach Trotzki nicht selbst von Hitler und Stalin als von „Zwillingsgestirnen“? Aber vergleichen heißt noch nicht verstehen, und die Unterschiede sind ebenso wichtig wie die Ähnlichkeiten. Das Naziregime hat sein Programm verwirklicht und seine finsteren Versprechen eingelöst. Das stalinistische Regime ist gegen das emanzipatorische kommunistische Projekt errichtet worden. Es mußte, um sich zu etablieren, die für das kommunistische Ziel Aktiven zermalmen. Wieviele Dissidenten und Oppositionelle der Zwischenkriegszeit versinnbildlichen diese Wendung? Majakowski, Joffe, Tucholsky, Benjamin und so viele andere haben sich selbst umgebracht. Kann man bei den Nazis diese Gewissenskrise angesichts eines verratenen und entstellten Ideals hervorrufen? Hitlerdeutschland brauchte sich nicht wie Rußland unter Stalin in ein „Land der großen Lüge“ verwandeln: Die Nazis waren stolz auf ihr Werk, die stalinistischen Bürokraten konnten sich im Spiegel der ursprünglichen kommunistischen Ideen nicht ins eigene Gesicht sehen.

Wenn die konkrete Geschichte in Zeit und Raum aufgelöst und willentlich entpolitisiert wird – als bewußt angewandte Methode (Nicolas Werth fordert offen, „die politische Geschichte“ müsse „in den Hintergrund treten“, um dem Faden einer ihres Kontextes beraubten Repressionsgeschichte besser folgen zu können) –, dann bleibt nur ein Schattenspiel übrig. Es handelt sich dann nicht mehr darum, einem Regime, einer Epoche, identifizierbaren Henkern den Prozeß zu machen, sondern einer Idee: einer tödlichen Idee. In dieser Art Genreliteratur haben sich einige Journalisten begeistert ausgelebt. Jacques Amalric registriert mit Befriedigung „die von einer todbringenden Utopie hervorgebrachte Wirklichkeit“ (Libération, 6.11.1997). Philippe Cusin erfindet eine Erbanlage für gesellschaftspolitische Konzeptionen: „In den Genen des Kommunismus ist eingeschrieben: Es ist die natürlichste Sache zu töten“ (Le Figaro, 5.11.1997). Und wann kommt der Vorschlag der Euthanasie gegen dieses kriminelle Gen?

Einen Prozeß nicht über Tatsachen, nicht gegen bestimmte wirkliche Verbrechen anzustrengen, sondern gegen eine Idee, führt unvermeidlich zur Kollektivschuldthese und zum Meinungsdelikt. Das Geschichtstribunal des Herrn Courtois wirkt nicht nur in die Vergangenheit. Es wird gefährlich präventiv, wenn er bedauert, daß „die Trauerarbeit der Idee der Revolution noch weit davon entfernt ist abgeschlossen zu sein“, und wenn er sich darüber empört, daß „revolutionäre Gruppen offen aktiv sind und in völliger Legalität ihre Positionen verbreiten“!

Die Bußfertigkeit ist sicherlich Mode. Wenn die Herren Furet oder Le Roy Ladurie, Frau Kriegel oder Herr Courtois selbst nie ans Ende ihrer Trauerarbeit gelangt sind, ihr schlechtes Gewissen als konvertierte ehemalige Stalinisten wie eine Eisenkugel mit sich herumschleppen, ihr Abgesang in Ressentiment einmündet, dann ist das ihre Sache. Aber diejenigen, die Kommunisten geblieben sind, ohne jemals den kleinen Vater der Völker gefeiert oder das kleine rote Buch des großen Steuermanns heruntergebetet zu haben, was, Herr Courtois, haben sie zu bereuen? Sie haben sich zweifellos manches Mal geirrt. Doch angesichts der gesellschaftlichen Wirklichkeit, wie sie heute ist, haben sie weder den falschen Kampf geführt noch den falschen Gegner gewählt.

Um die Tragödien des endenden Jahrhunderts zu verstehen und daraus für die Zukunft nützliche Schlüsse zu ziehen, muß man über die ideologische Ebene und die Schatten, die sich auf ihr tummeln, hinausgehen, um in die Tiefen der Geschichte einzudringen und die Logik der politischen Konflikte zu erforschen, in denen die Wahl zwischen verschiedenen möglichen Entwicklungen entschieden wird.

Revolution oder Staatsstreich?

Ein erneuter kritischer Blick auf die russische Oktoberrevolution anläßlich ihres 80. Jahrestags wirft eine Reihe von historischen und programmatischen Fragen auf. Der Einsatz ist hoch. Es geht um nicht weniger und nicht mehr als um die Frage, ob die Zukunft offen ist für unser revolutionäres Handeln – denn nicht jede Vergangenheit hat dieselbe Zukunft.

Doch vor der Zuwendung zur großen Zahl der seit der Öffnung der sowjetischen Archive neu zugänglichen Dokumente (die ohne Zweifel neue Erkenntnisse und die Wiederaufnahme mancher kontroverser Debatten ermöglichen) stößt die Diskussion auf die herrschenden ideologischen „Selbstverständlichkeiten“, deren Gewicht kürzlich wieder mit dem einhellig ehrenden Nekrolog auf François Furet deutlich wurde. In diesen Zeiten der Konterreform und der Reaktion ist es nicht verwunderlich, daß Lenin und Trotzki ebenso zu Unpersonen werden, wie Robespierre und Saint-Just in den Zeiten der Restauration.

Um damit zu beginnen das Terrain zu entrümpeln, ist es also angebracht, drei heutzutage recht verbreitete Vorurteile aufzugreifen:

1. Anstatt eine Revolution zu bezeichnen, wäre der Oktober vielmehr sinnbildlicher Name für den Komplott oder den Staatsstreich einer Minderheit, die ihre autoritäre Konzeption der Gesellschaft zugunsten einer neuen Elite von Anfang an von oben durchsetzte.

2. Die gesamte Entwicklung der russischen Revolution einschließlich ihrer totalitären Verirrungen wäre, im Sinne eines Sündenfalls, im Keim bereits in der revolutionären Idee (oder „Leidenschaft“ laut Furet) enthalten: Die Geschichte wäre dann reduziert auf die Entwicklung und Verwirklichung dieser perversen Idee – ohne Rücksicht auf die großen realen gesellschaftlichen Erschütterungen und Ereignisse und auf den ungewissen Ausgang jedes Kampfes.

3. Und schließlich wäre die russische Revolution zur Monstruosität verdammt, weil sie eine „verfrühte“ Hervorbringung der Geschichte gewesen sei, ein Versuch, ihren Lauf und Rhythmus zu forcieren, wo doch die „objektiven Bedingungen“ für die Überwindung des Kapitalismus nicht gegeben waren: Anstatt weise „Selbstbeschränkung“ zu üben, wären die bolschewistischen Führer die aktiven Betreiber dieses Anachronismus gewesen.

Ein wirklicher revolutionärer Aufschwung

Die russische Revolution war nicht Ergebnis einer Verschwörung, sondern, im Kontext des Krieges, das Aufbrechen der unter der konservativen Selbstherrschaft des Zarismus angehäuften Widersprüche. Rußland war zu Anfang des Jahrhunderts eine blockierte Gesellschaft, ein beispielhafter Fall von „ungleicher und kombinierter Entwicklung“, ein zugleich imperialistisch herrschendes und beherrschtes Land, in dem es einerseits die feudalen Züge einer agrarischen Wirklichkeit gab, in der die Leibeneigenschaft erst vor einem halben Jahrhundert offiziell abgeschafft war, und andererseits die Charakteristika eines hochkonzentrierten urbanen Kapitalismus.

Obwohl selbst Großmacht, ist Rußland technologisch und finanziell abhängig. Das vom Popen Gapon während der Revolution von 1905 präsentierte Beschwerdeheft ist eine beeindruckende Auflistung der im Zarenreich herrschenden elenden Zustände. Die Reformversuche scheitern rasch am Konservatismus der Oligarchie, an der Dickköpfigkeit des Despoten und an den Schwankungen einer Bourgeoisie, die bereits von der entstehenden Arbeiterbewegung bedroht wird. Die Aufgaben der demokratischen Revolution fallen somit einer Art Drittem Stand zu, in dem, im Gegensatz zur Französischen Revolution, das moderne Proletariat zwar in der Minderheit ist, aber doch den dynamischen und vorantreibenden Flügel darstellt.

Aufgrund all dessen kann das „heilige Rußland“ als das „schwächste Glied“ der imperialistischen Kette angesehen werden. Die schwere Prüfung des Krieges zündet die Lunte an diesem Pulverfaß.

Die Entwicklung des revolutionären Prozesses zwischen Februar und Oktober 1917 zeigt deutlich, daß es sich nicht um die Verschwörung einer Minderheit von Berufsagitatoren handelt, sondern um die beschleunigte Verarbeitung politischer Erfahrung auf Massenebene, um Veränderung des Bewußtseins, um eine ständige Veränderung der Kräfteverhältnisse. In seiner meisterhaften Geschichte der russischen Revolution analysiert Trotzki diesen Radikalisierungsprozeß minutiös, von einer innergewerkschaftlichen Wahl zur anderen, von Gemeindewahl zu Gemeindewahl, bei den Arbeitern, bei den Soldaten und bei den Bauern. Während die Bolschewiki auf dem Sowjetkongreß im Juni nur 13 Prozent der Delegierten stellten, ändert sich die Lage nach den Julitagen und nach dem Putschversuch von Kornilow schnell: im Oktober, auf dem zweiten Sowjetkongreß, stellen sie zwischen 45 und 60 Prozent der Delegierten.

Weit davon entfernt, ein Handstreich zu sein, der wegen seines Überraschungseffekts erfolgreich ist, ist der Oktoberaufstand das Ende und das vorläufige Ergebnis eines Kräftemessens, das ein ganzes Jahr lang heranreifte und in dessen Verlauf der Geisteszustand der plebejischen Massen stets links von dem der Parteien und ihrer Führungen angesiedelt war, und zwar nicht nur links von den Sozialrevolutionären, sondern sogar links von der bolschewistischen Partei bzw. eines Teils ihrer Führung (bis hin zur Frage des Aufstands und zur Entscheidung für den Aufstand selbst).

Im allgemeinen sind sich die Historiker darüber einig, im Oktoberaufstand – der keineswegs gewaltsamer war als der Sturm auf die Bastille – das Ergebnis eines Jahrs der Zersetzung des alten Regimes zu sehen. Aus diesem Grund kostete er vergleichsweise weniger Menschenleben als die Gewalttaten, die später verübt worden sind. Die relative „Leichtigkeit“ der Machteroberung der Bolschewiki durch einen Aufstand illustriert die Ohnmacht der Bourgeoisie zwischen Februar und Oktober, ihre Unfähigkeit, auf den Trümmern des Zarismus das Projekt eines modernen bürgerlichen Nationalstaats zu verwirklichen. Daher gab es nicht die Wahl zwischen der Revolution und der “Demokratie” schlechthin, sondern zwischen zwei autoritären Lösungen, der Revolution oder der Militärdiktatur Kornilows oder eines beliebigen ähnlichen Subjekts.

Wenn man unter Revolution einen Elan der Gesellschaftsveränderung von unten versteht, der aus den tiefen Bestrebungen der ausgebeuteten und unterdrückten Bevölkerung kommt, und nicht die Verwirklichung irgendeines phantastischen, von einer aufgeklärten Elite ausgedachten Plans, dann war die russische Revolution ohne Zweifel eine wirkliche Revolution, im vollen Wortsinn, hinter der vor allem das Bedürfnis nach Frieden und Land stand. Es genügt, die Maßnahmen des neuen Regimes in den ersten Monaten und im ersten Jahr Revue passieren zu lassen, um zu verstehen, daß sie eine radikale Umwälzung der Eigentums- und Machtverhältnisse bedeuten, und zwar unter dem Druck der Umstände manchmal schneller als vorgesehen und gewollt, manchmal sogar schneller als wünschenswert. Zahlreiche Bücher bezeugen diesen Bruch der bis dahin bestehenden Weltordnung (z.B. Zehn Tage, die die Welt erschütterten von John Reed) und ihr unmittelbares internationales Echo (siehe La Révolution d’Octobre et le mouvement ouvrier européen, Paris 1967).

Marc Ferro (insbesondere in La Révolution de 1917 und Naissance et effondrement du régime communiste en Russie) betont, daß damals nur wenige dem Zarenregime und dem letzten zaristischen Selbstherrscher eine Träne nachweinten. Er hebt vielmehr die für eine authentische Revolution so charakteristische Umwälzung der gesellschaftlichen Wirklichkeit hervor, bis in die Details des Alltagslebens hinein. In Odessa schreiben die Studenten den Professoren ein neues Programm für das Fach Geschichte vor; in Petrograd zwingen die Arbeiter ihre Unternehmer, sich das „neue Arbeiterrecht“ anzueignen; in der Armee laden die Soldaten den Feldgeistlichen zur ihrer Versammlung ein, um ihm „einen neuen Lebenssinn zu geben“; in einigen Schulen verlangen die Schüler, im Boxen unterrichtet zu werden, um von den Großen gehört und respektiert zu werden…

Die Prüfung des Bürgerkriegs

Dieser ursprüngliche revolutionäre Elan ist trotz der furchtbaren Bedingungen auch während des ab Sommer 1918 ausbrechenden Bürgerkriegs noch wirksam. Nicolas Werth zählt in seinem Beitrag mit Belegen die Kräfte auf, gegen die sich das neue Regime zu wehren hatte: nicht nur die weißen Armeen von Koltschak und Denikin, nicht nur die ausländische französisch-britische Intervention, sondern auch gegen massive Bauernerhebungen gegen die Getreiderequisitionen und gegen Arbeiterproteste gegen die Rationierung. Wenn man das liest, kann man nicht sehen, auf welche Kräfte sich die revolutionäre Regierung eigentlich stützen konnte, um so mächtige Gegner zu besiegen. Anscheinend konnte sie das nur durch den von einer Minderheit ausgeübten Terror und durch den Aufbau der Tscheka mit Hilfe eines zu allem bereiten Lumpenproletariats. Diese Erklärung ist zu einfach. Sie erklärt nicht den Aufbau der Roten Armee innerhalb weniger Monate und deren Siege. Es kommt der Wahrheit näher, dem Bürgerkrieg seinen vollen Stellenwert beizumessen und davon auszugehen, daß sich in ihm antagonistische gesellschaftliche Kräfte erbarmungslos gegenüberstanden.

Nach den Autoren des Schwarzbuchs hätten die Bolschewiki den Bürgerkrieg gewollt und der seit dem Sommer 1918 ausgeübte Terror sei das Urbild aller seither im Namen des Kommunismus begangenen Verbrechen. Die wirkliche Geschichte mit ihren Konflikten, Kämpfen, Ungewißheiten, Siegen und Niederlagen kann nicht auf diese finstere Legende der Selbstentwicklung eines Konzepts eingeengt werden, als ob die Welt aus der Idee hervorgehen würde.

Der Bürgerkrieg war nicht gewollt, sondern vorhergesehen. Das ist mehr als nur eine Nuance. Alle Revolutionen seit der Französischen Revolution hatten diese schmerzliche Lektion bestätigt: die emanzipatorischen Bewegungen stoßen auf die konservative Reaktion; die Konterrevolution folgt der Revolution wie ein Schatten – 1792, als die dynastischen Truppen auf Paris marschierten, 1848 mit den Junimassakern (zur Grausamkeit der Bourgeoisie lese man noch einmal Michelet, Flaubert oder Renan), 1871, als die Kommune im Blut erstickt wurde. Diese Regel kannte seitdem keine Ausnahmen, von Francos Pronunciamiento 1936 bis zum Staatsstreich Suhartos 1965 in Indonesien (mit einer Million Toten) oder bis zum Putsch von Pinochet 1973 in Chile. Die russischen Revolutionäre haben 1918 ebensowenig den Bürgerkrieg erklärt wie die französischen Revolutionäre 1792. Sie haben die französischen und die britischen Truppen nicht dazu aufgerufen zu intervenieren, um das revolutionäre Regime zu stürzen! Vom Sommer 1918 an, daran erinnert Nicolas Werth, standen die weißen Armeen solide in drei Fronten, und die Bolschewiki „kontrollierten nur noch ein Gebiet, das nicht größer war als das alte Fürstentum Moskau“. Die Entscheidungen zugunsten des Terrors wurden im August und September 1918 getroffen, als die ausländische Aggression und der Bürgerkrieg bereits begonnen hatten. In gleicher Weise proklamierte Danton 1792 den Terror, um den mit den Septembermassakern aus dem Volk kommenden Terror zu kanalisieren, der als Reaktion auf die Bedrohung von Paris durch das Heranrücken der vom Herzog von Braunschweig geführten Koalition entstand.

Werth gibt daher zu, daß die Revolutionäre nicht für den Ausbruch des Bürgerkriegs verantwortlich sind. Wenn die schrecklichen Gewalttaten des Bürgerkriegs davon ausgehend auf „Rote“ und „Weiße“ verteilt werden, scheint aller später folgende Terror aber Ausdruck eines versteckten Krieges zu sein, eines Krieges im Krieg, und zwar gegen die Bauernschaft. Um die Opfer der Hungersnot von 1921 und 1922 auf das Konto der Verbrechen des Kommunismus buchen zu können, neigt Nicolas Werth manchmal dazu, sie als Ergebnis einer willentlichen Entscheidung für die Ausrottung der Bauernschaft darzustellen. Viele der Dokumente, die die Repression in den Dörfern belegen, sind bedrückend. Aber ist es deshalb möglich, die beiden Problemkreise des Bürgerkriegs und der Agrarfrage voneinander zu trennen?

Um der Aggression zu begegnen, mußte die Rote Armee innerhalb weniger Monate 4 Millionen Kämpfer mobilisieren, sie ausrüsten und ernähren. Innerhalb von zwei Jahren verloren Petrograd und Moskau über die Hälfte ihrer Bevölkerung. Die verwaiste Industrie produzierte nichts mehr. Gab es unter diesen Bedingungen eine andere Lösung als die Requisitionen, um Städte und Armee zu ernähren? Sicherlich kann man sich andere Vorgehensweisen vorstellen und im Rückblick die Eigenlogik einer politischen Polizei, die Gefahren einer von improvisierten Westentaschentyrannen ausgeübten bürokratischen Willkür berücksichtigen. Doch handelt es sich um eine konkrete Diskussion über politische Entscheidungen und vorstellbare Alternativen angesichts der realen Herausforderungen, und nicht um abstrakte Urteile.

Am Ende des Bürgerkriegs ist es nicht mehr die Basis, die die Führung trägt, sondern die Führung, die die Basis mitzuziehen versucht. Daher die Mechanik der Substitution: Die Partei handelt stellvertretend für das Volk, die Bürokratie für die Partei, der weise Führer für alle. Im Laufe dieses Prozesses taucht eine neue Bürokratie auf, Frucht des Erbes des alten Regimes und des beschleunigten sozialen Aufstiegs eines neuen Führungspersonals. Nach der massiven Rekrutierung des „Leninaufgebots“ 1924 haben die paar tausend Aktiven des Oktober nicht mehr viel Gewicht im Verhältnis zu den Hunderttausenden neuen Bolschewiki, unter denen sich viele Karrieristen befinden, die den Siegern zu Hilfe eilen und viele gewendete Elemente des alten zaristischen Verwaltungsapparats.

Das schwere Erbe des Bürgerkriegs

Der Bürgerkrieg ist eine furchtbare Gründererfahrung. Er schafft eine abgebrühte Gewöhnung an die extremsten und unmenschlichsten Formen der Gewalt, die zu den im Weltkrieg entfesselten Grausamkeiten hinzukommen. Er schmiedet als sein Erbe eine bürokratische Brutalität, deren sich Lenin während des Konflikts mit den georgischen Kommunisten bewußt wird, und die Trotzki in seiner Stalin-Biographie beschreibt. Lenins „Testament“ und das „Tagebuch der Sekretäre“ bezeugen Lenins leidenschaftliche Bewußtwerdung dieses Problems während seines Todeskampfs. Während die Revolution die Sache von Völkern und großen Massen ist, ist der sterbende Lenin darauf zurückgeworfen, die Laster und Tugenden einer Handvoll Führer gegeneinander abzuwägen, von denen von nun an alles abzuhängen scheint.

Schließlich bedeutete der Bürgerkrieg einen „großen Sprung zurück“, eine „Archaisierung“ des Landes gemessen am bis 1914 erreichten Entwicklungsstand. Er hat das Land ausgeblutet. Von den 4 Millionen Einwohnern Petrograds und Moskaus zu Beginn der Revolution waren am Ende des Bürgerkriegs nur 1,7 Millionen übriggeblieben. In Petrograd hatten 380000 Arbeiter die Produktionsstätten verlassen, nur 80000 waren geblieben. Die entvölkerten Städte waren zu Parasiten der Landwirtschaft geworden, was zu autoritären Beschlagnahmungen zwang, um die Versorgung sicherzustellen. Und die Rote Armee war auf 4 Millionen Mitglieder angewachsen. „Als das neue Regime endlich damit anfangen konnte, das Land zum erklärten Ziel zu führen“, schreibt Moshe Lewin, „erwies sich der Ausgangspunkt als viel rückständiger, als er 1917 gewesen wäre, um nicht 1914 zu sagen.“ Durch den Bürgerkrieg hindurch entsteht „ein rückständiger“ und etatistischer „Sozialismus“, ein neuer Staat auf Ruinen: „In Wirklichkeit bildete sich der Staat auf der Grundlage einer regressiven gesellschaftlichen Entwicklung“ (Moshe Lewin, Russia, USSR, Russia, London 1995).

Hierin liegt die wesentliche Wurzel der Bürokratisierung, deren sich einige sowjetische Führer, darunter Lenin, recht früh bewußt wurden und zugleich daran verzweifelten, daß sie es nicht schafften, sie einzudämmen. Hierbei verstärkten der schreckliche Druck der Bedingungen und die Abwesenheit einer demokratischen Kultur ihre Wirkungen wechselseitig. Ohne jeden Zweifel begünstigte die seit der Machteroberung einreißende Verwirrung zum Verhältnis von Staat, Partei und Arbeiterklasse – im Namen des gewünschten raschen Absterben des Staates und der Überwindung der Widersprüche innerhalb des Volkes – in bedeutsamer Weise die Verstaatlichung der Gesellschaft und nicht die Vergesellschaftung der staatlichen Funktionen.

Der demokratische Lernprozeß ist eine schwierige und langandauernde Angelegenheit. Er erfolgte nicht im Rhythmus der Dekrete zur wirtschaftlichen Veränderung, zumal das Land über fast keine demokratische und pluralistische Tradition verfügte. Demokratisierung braucht Zeit, Energie und auch materielle Mittel. Das rege Leben in den Fabrikkomitees und Sowjets (Räten) des Jahres 1917 zeigte die ersten Schritte eines solchen Lernprozesses, in dessen Verlauf sich eine Zivilgesellschaft herausbildete. Angesichts des Bürgerkriegs bestand der Weg des geringsten Widerstands darin, die Organe der Volksmacht, die Räte und Selbstorganisationsstrukturen, einem aufgeklärten Vormund zu unterstellen: der Partei. In der Praxis bestand er auch darin, das Prinzip der Wählbarkeit und der Kontrolle der Verantwortlichen durch ihre Nominierung durch die Partei zu ersetzen, in gewissen Fällen bereits im Jahr 1918. Diese Logik mündete schließlich in die Aufhebung des politischen Pluralismus und der Meinungsfreiheit – beide unerläßlich für ein demokratisches Leben – und auch in die systematische Unterordnung des Rechts unter die Gewalt.

Die Verstrickung ist desto furchtbarer, als die Bürokratisierung nicht nur aus Manipulation von oben erwächst. Sie ist auch manchmal eine Antwort auf ein von unten kommendes Verlangen, auf ein Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung, weil man die Bedrückungen des Krieges und des Bürgerkriegs, die Entbehrungen und Strapazen satt hat und weil die demokratisch ausgetragenen Kontroversen, die politische Agitation, der ständige Druck, Verantwortung zu übernehmen, dieses Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung stört. Marc Ferro hat in seinen Büchern diese schreckliche Dialektik sehr überzeugend unterstrichen. So erinnert er daran, daß es zu Beginn der Revolution tatsächlich „zwei Heimstätten gab – eine demokratisch-autoritäre an der Basis, eine zentralistisch-autoritäre an der Spitze“, während es „1939 nur noch eine gab“. Aber für ihn ist die Angelegenheit nach einigen Monaten praktisch entschieden, schon von 1918 oder 1919 an, mit dem Absterben oder der Auflösung der Fabrik- und Stadtteilkomitees (siehe Marc Ferro, Les Soviets en Russie). Ähnlich, aber noch expliziter erklärt der Philosoph Philippe Lacoue-Labarthe den Bolschewismus für “konterrevolutionär ab 1920/21” (Lignes, Mai 1997), also von der Zeit vor der Niederschlagung des Kronstädter Aufstands an.

Die Frage ist außerordentlich wichtig. Es geht nicht darum, auf manichäische Weise Punkt für Punkt eine vergoldete Legende des „Leninismus unter Lenin“ dem Leninismus unter Stalin entgegenzusetzen, die leuchtenden 20er den finsteren 30er Jahren, als ob vor diesen im Land der Sowjets noch nichts zu verfaulen begonnen hätte. Sicherlich ist die Bürokratisierung von Anfang an am Werk, sicherlich entfaltete die Polizeiaktivität der Tscheka ihre Eigenlogik, sicherlich wurde das politische Zuchthaus der Solowski-Inseln nach dem Bürgerkrieg und vor dem Tod Lenins wieder in Betrieb genommen, sicherlich wurde der Parteienpluralismus unterdrückt, die Meinungsfreiheit eingeschränkt und die demokratischen Rechte in der Partei selbst von ihrem X. Parteitag von 1921 an eingeschränkt.

Doch der Prozeß, den wir bürokratische Konterrevolution nennen, ist nicht ein einfaches Ereignis mit Datum wie der Oktoberaufstand. Er findet nicht an einem bestimmten Tag statt. Er vollzieht sich über Entscheidungen, Kämpfe, Ereignisse. Die Handelnden selbst hörten nicht auf, über seine Periodisierung zu diskutieren, nicht aus dem Bedürfnis nach historischer Akribie heraus, sondern um daraus politische Aufgaben besser ableiten zu können. Zeugen wie Rosmer, Eastman, Souvarine, Istrati, Benjamin, Samjatin und Bulgakow (in ihrem Brief an Stalin), die Gedichte von Majakowski, die Qualen von Mandelstam oder Zwetajewa usw. können dazu beitragen, die vielen Facetten dieses Problems, seiner Entwicklung, seines Fortschreitens zu erhellen.

So, als die katastrophale Repression von Kronstadt im Frühjahr 1921 die notwendige Neuorientierung des ökonomischen Kurses bewußt macht und als der Bürgerkrieg siegreich beendet war, wurden die demokratischen Freiheiten erneut eingeschränkt anstatt ausgeweitet: Der X. Parteitag verbot Tendenzen und Fraktionen.

Mit dem gegebenen historischen Abstand ist es notwendig, auf die Fragen der repräsentativen Demokratie, des politischen Pluralismus, der Zensur, der Auflösung der Konstituierenden Versammlung zurückzukommen, um die theoretischen Probleme aufzuwerfen, auf die die Pioniere des Sozialismus gestoßen sind, und um über die Lehren daraus nachzudenken. Ohne jeden Zweifel lasteten vier Jahre Weltkriegsgemetzel, an dem über 15 Millionen russische Soldaten teilnahmen und die Gewalttaten und Grausamkeiten des Bürgerkriegs unendlich schwerer auf der Zukunft des revolutionären Regimes als die theoretischen Fehler seiner Führer, so schwer sie auch gewesen sein mögen. Die demokratischen Fragen in der Revolution sind sehr wichtig, nicht um die Geschichte neu zu schreiben, sondern um daraus Schlußfolgerungen für die Zukunft zu ziehen.

Anatoli Lunatscharski, der spätere Erziehungsminister, begann einen am 1. Dezember 1917 (!) von der Prawda veröffentlichten Artikel mit der Feststellung: „Eine Gesellschaft ist keine bruchlose Einheit.“ Eine Menge Zeit und viele Tragödien waren erforderlich, um aus diesem kleinen Satz alle Schlußfolgerungen zu ziehen. Weil eine Gesellschaft kein bruchloses Ganzes ist, auch nicht nach dem Sturz der alten Ordnung, kann man sich nicht anmaßen, den Staat durch Dekrete zu vergesellschaften, ohne das Risiko einzugehen, in Wirklichkeit die Gesellschaft zu verstaatlichen. Weil die Gesellschaft kein bruchloses Ganzes ist, müssen die Gewerkschaften vom Staat und von den Parteien und die Parteien unabhängig vom Staat bleiben. Die in der Gesellschaft wirksamen Interessenwidersprüche müssen in einer unabhängigen Presse und in repräsentativen Organen ihren Ausdruck finden können. Deshalb auch muß die Autonomie der Rechtsformen und -normen garantieren, daß das Recht nicht auf die verewigte Willkür der Macht reduziert wird.

Die Verteidigung des politischen Pluralismus ist also keine Frage der Umstände, sondern eine wesentliche Bedingung für die sozialistische Demokratie. Das ist die Schlußfolgerung, die Trotzki in der Verratenen Revolution zieht: „In Wirklichkeit sind Klassen heterogen, von inneren Gegensätzen zerrissen; ihre gemeinsamen Aufgaben vermögen sie nicht anders als durch den inneren Kampf der Richtungen, Gruppierungen und Parteien zu lösen.“ Das bedeutet, daß der kollektive Wille sich nur vermittelt über einen Prozeß freier Wahlen ausdrücken kann, in welchen institutionellen Formen auch immer, bei denen Elemente der direkten partizipativen Demokratie mit solchen der repräsentativen Demokratie kombiniert werden.

Aus der geschichtlichen Erfahrung können Antworten und eine Orientierung entwickelt werden, auch wenn damit keine absoluten Garantien gegen Bürokratisierung und gegen die professionellen Risiken der Macht gegeben sind.

– Die strikte Unterscheidung von Klassen, Parteien und Staat muß sich in der Anerkennung des politischen und gewerkschaftlichen Pluralismus niederschlagen, der einzigen Garantie für die freie Konfrontation von Programmen und Alternativen in allen großen gesellschaftlichen Fragen. Der einfache Austausch von Standpunkten, die in örtlichen Machtorganen entwickelt wurden, reicht dafür nicht aus.

– Anzustreben ist eine Demokratie, die Räte auf betrieblicher und territorialer Ebene kombiniert, wobei nicht nur Parteien, sondern auch Gewerkschaften, Vereinigungen, Frauenbewegungen in ihnen ihren direkten Ausdruck finden und Kontrollrechte haben.

– Verantwortlichkeit der Gewählten gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern und jederzeitige Abwählbarkeit statt imperativer Mandate, die den gewählten Versammlungen jegliche Beratungsfunktion nehmen würden.

– Begrenzung der Kumulation und der wiederholten Ausübung von Wahlämtern und Beschränkung des Einkommens der Gewählten auf das Niveau des Lohns qualifizierter Arbeiterinnen und Arbeiter oder Angestellten des öffentlichen Dienstes, um die Personalisierung und Professionalisierung der Macht einzuschränken.

– Dezentralisierung der Macht und Neuverteilung der Kompetenzen, die auf örtlicher, regionaler oder nationaler Ebene so nah wie möglich an die Bürger herangeführt werden müssen, wobei die unteren Instanzen ein aufschiebendes Vetorecht bei allen Entscheidungen haben müssen, die sie direkt betreffen. Außerdem müssen Instrumente wie Volksbegehren und Volksentscheide zur Verfügung stehen.

Eine Demokratie der assoziierten Produzenten ist absolut vereinbar mit der Ausübung des allgemeinen Wahlrechts. Kommunale Räte oder territoriale Volksversammlungen können aus Repräsentanten von Belegschaften und Wohnvierteln zusammengesetzt sein und jede wichtige Frage der jeweils betroffenen Bevölkerung zur Abstimmung vorlegen.

Jüngere Erfahrungen, wie die von Polen 1980/81 oder Nikaragua 1984, haben die Möglichkeit eines Zweikammersystems nahegelegt, wobei die eine unmittelbar nach allgemeinem Wahlrecht gewählt wird und die andere direkt die Arbeiter, die Bauern und im weiteren Sinne alle selbstorganisierten Formen der Volksmacht repräsentiert. Diese Lösung (wobei in multinationalen Staaten eine Nationalitätenkammer hinzukommen kann) berücksichtigt theoretisch zugleich das Verlangen nach allgemeinen Wahlen und das nach einer so direkt wie möglich von der Bevölkerung ausgeübten Demokratie. Sie erlaubt es zu vermeiden, per Dekret die gesellschaftliche Wirklichkeit und die Sphäre des Staates zu vermischen, wobei letztere nach und nach in dem Maße abstirbt, wie sich die Selbstverwaltung ausdehnt und verallgemeinert.

Diese annähernden Orientierungspunkte fassen die Lehren einer schmerzlichen geschichtlichen Erfahrung zusammen. Sie sind weder ein unfehlbares Mittel gegen die professionellen Risiken der Macht noch eine Blaupause für jede konkrete Situation. Man kann rückblickend über die Auflösung der Konstituierenden Versammlung durch die Bolschewiki diskutieren, über die jeweilige Repräsentativität dieser Versammlung und des Sowjetkongresses gegen Ende des Jahres 1917. Man kann über die Frage diskutieren, ob es nicht besser gewesen wäre, dauerhaft eine doppelte Form der Repräsentation zu erhalten (eine Art Verlängerung der Doppelherrschaft). Man kann sich auch fragen, ob man nicht unmittelbar nach dem Bürgerkrieg freie Wahlen hätte organisieren müssen, auch um den Preis, daß die militärisch geschlagenen Weißen im Rahmen der Verwüstungen und des internationalen Drucks dadurch die Oberhand hätten gewinnen können. Jede besondere Situation hängt von spezifischen nationalen und internationalen Kräfteverhältnissen ab. Doch die gesamte historische Erfahrung bekräftigt die von Rosa Luxemburg 1918 ausgesprochene Warnung: “Ohne allgemeine Wahlen, ungehemmte Presse- und Versammlungsfreiheit, freien Meinungskampf erstirbt das Leben in jeder öffentlichen Institution, wird zum Scheinleben, in der die Bürokratie allein das tätige Element bleibt” (Zur russischen Revolution). Die breitestmögliche Demokratie ist untrennbar zugleich eine Frage der Freiheit und eine Bedingung für ökonomische Effizienz: nur sie allein kann die Überlegenheit der selbstverwalteten Planung über die Automatismen des Marktes zur Entfaltung kommen lassen.

Wille zur Macht oder bürokratische Konterrevolution?

Das Schicksal der ersten sozialistischen Revolution, der Triumph des Stalinismus, die Verbrechen der totalitären Bürokratie gehören zu den wichtigsten Tatsachen des Jahrhunderts.

Für manche beruht das Prinzip des Übels in einer schlechten Veranlagung der menschlichen Natur, in einem nicht zu unterdrückenden Willen zur Macht, der unter verschiedenen Masken auftreten kann, darunter das Bestreben, das Glück der Völker gegen ihren Willen zu verwirklichen und ihnen vorgefaßte Schemata einer perfekten Gesellschaft aufzuzwingen.

Das polemische Ziel des Schwarzbuchs besteht darin, eine strikte Kontinuität zwischen Lenin und Stalin zu postulieren, indem es „die alte Legende von der durch Stalin verratenen Oktoberrevolution“ zerstört: „Die Schrecken des Stalinismus gehören zum Wesen des Leninismus“ (Jacques Amalric); „Der erste kriminelle Antrieb ging von Lenin aus“ (Eric Conan, L’Express, 6.11.1997). Die Verantwortlichen der pcf, die es versäumt haben, die Kritik ihrer eigenen Vergangenheit bis zu einer rigorosen Prüfung der Periodisierung der russischen Revolution, der Orientierungen, die in den 20er und 30er Jahren miteinander rivalisierten, zu treiben, geben sich ihrerseits mit einer vagen Selbstkritik zufrieden; sie versteigen sich gar dazu, von den Verbrechen des Stalinismus als einer „tragischen Verlängerung“ des revolutionären Geschehens zu sprechen (Claude Gabanes, L’Humanité, 7.11.1997). Wenn ein unbarmherziges Schicksal als Träger derartiger Katastrophen bereits vom ersten Tag an seinen Lauf nahm, warum sich dann noch als Kommunist ausgeben?

Die 20er Jahre: “Pause” oder Scheideweg?

Trotz der bürokratischen Reaktion, die sehr bald die „Revolution erstarren läßt“, trotz der Knappheit und der kulturellen Rückständigkeit, ist der anfängliche revolutionäre Schwung noch während der gesamten 20er Jahre in den bahnbrechenden Versuchen zur Veränderung der Lebensweise spürbar: Reformen in Pädagogik und Unterrichtswesen, städtische Utopien, graphische und filmkünstlerische Innovationen. Dies erklärt uns die Widersprüchlichkeit und Ambivalenz der in der Zwischenkriegszeit vollzogenen schmerzvollen „großen Umgestaltung“, in der sich noch der bürokratische Terror und die Energie der revolutionären Hoffnung vermischten. Es war nicht die kleinste Schwierigkeit, sich der Bedeutung und historischen Tragweite des Phänomens bewußt zu werden.

Es kommt also darauf an, in den sich dabei konstituierenden und sich bekämpfenden Kräften die Wurzeln und Triebfedern dessen aufzuspüren, was man mitunter „das stalinistische Phänomen“ genannt hat. Der Stalinismus verweist, in seinen konkreten historischen Bedingungen, auf eine allgemeinere Tendenz der Bürokratisierung, die es in allen modernen Gesellschaften gibt. Sie wird grundsätzlich von der Zunahme der gesellschaftlichen Arbeitsteilung (besonders zwischen Hand- und Kopfarbeit) genährt sowie von den immanenten „professionellen Risiken der Macht“. In der Sowjetunion war diese Dynamik um so stärker und rascher wirksam, als sich die Bürokratie vor dem Hintergrund von Zerstörung, Mangel, kultureller Rückständigkeit und dem Fehlen demokratischer Traditionen entwickelte.

Bereits von ihrem Ursprung an war die soziale Basis der Revolution gleichzeitig breit und schmal. Breit insofern, als sie sich auf das Bündnis von Arbeitern und Bauern – der ungeheuren Mehrheit der Gesellschaft – stützte. Schmal insofern, als ihr proletarischer Bestandteil, die Minderheit, schnell durch die Verwüstungen und Verluste im Bürgerkrieg dezimiert wurde. Die Brutalität der Bürokratie ist proportional zur Schwäche ihrer sozialen Basis. Sie gehört wesentlich zu ihrer parasitären Funktion.

Zwischen dem Beginn der 20er Jahre und den schrecklichen 30er Jahren besteht nichtsdestoweniger ein Bruch, eine eindeutige Diskontinuität sowohl in der Innen- als auch in der Außenpolitik. Die autoritären Tendenzen haben dabei gewiß schon vorher die Oberhand gewonnen. Besessen vom (allerdings real existierenden) „Hauptfeind“ der imperialistischen Aggression und kapitalistischen Restauration haben die bolschewistischen Führer begonnen, den „Nebenfeind“ – die Bürokratie, die sie von innen zerrieb und sie schließlich verschlang – zu ignorieren oder zu unterschätzen. Dieses bisher nicht dagewesene Szenario konnte man sich schwer vorstellen. Man benötigte Zeit, um es zu verstehen, zu interpretieren und daraus die Lehren zu ziehen. Wenn Lenin zweifellos das erste Alarmsignal, das die Kronstadt-Krise bedeutete, wahrgenommen hat und dabei so weit ging, eine umfassende wirtschaftliche Umorientierung anzustoßen, so dauerte es noch eine recht lange Zeit, bis Trotzki in der Verratenen Revolution [1936] einen prinzipiellen politischen Pluralismus – abgeleitet aus der Heterogenität des Proletariats – begründete, einschließlich für die Zeit nach der Machteroberung.

Die Mehrzahl der Zeitzeugen und der Studien über die Sowjetunion oder die bolschewistische Partei selbst (siehe Moscou sous Lénine von Alfred Rosmer, Le Léninisme sous Lénine von Marcel Liebman, L’Histoire du parti bolchevik von Pierre Broué, die Stalin-Biographien von Boris Souvarine und Trotzki, die Arbeiten von E.H.Carr, Tony Cliff, Moshe Lewin und David Rousset) erlauben nicht, die große Wende der 30er Jahre, in enger Verbindung aus Bruch und Kontinuität, zu ignorieren. Der Bruch überwiegt bei weitem, Zeugen sind die Millionen von Hungertoten, die Deportierten, die Opfer der Prozesse und der Säuberungen. Die Entfesselung einer derartigen Gewalt war nötig, um zum „Parteitag der Sieger“ von 1934 und zur Konsolidierung der bürokratischen Macht zu gelangen.

Die große Wende

Zwischen dem Terror des Bürgerkrieges und dem Terror der 30er Jahre zieht Nicolas Werth die Kontinuität vor. Dazu muß er die Bedeutung der 20er Jahre relativieren, die Alternativen, die sich darboten, die Richtungskämpfe in der Partei, und sie auf eine bloße „Pause“ oder „Waffenruhe“ zwischen zwei terroristischen Schüben reduzieren. Er liefert jedoch selbst die Elemente, die von einem (quantitativen) Wandel der Stufenleiter der Repression sowie von einem (qualitativen) Wandel ihres Inhalts zeugen. 1929 setzte der Plan der „Massenkollektivierung“ das Ziel von 13 Millionen gewaltsam zu kollektivierender Bewirtschaftungen fest. Diese Operation rief eine große Hungersnot und die Massendeportationen von 1932/33 hervor: „Das Frühjahr 1933 markierte zweifellos den Gipfel eines großen Terrorzyklus, der Ende 1929 mit der Lancierung der Entkulakisierung begonnen hatte“ (N. Werth). Nach der Ermordung Kirows begann 1934 der zweite große Zyklus, der von den großen Prozessen und vor allem von der großen „Säuberung“ (Jeshowschtschina) von 1936 bis 1938 geprägt war, deren Opfer auf 690000 geschätzt werden. Die Zwangskollektivierung und beschleunigte Industrialisierung hatten eine massive Verschiebung der Bevölkerung zur Folge, eine „Verländlichung“ der Städte und eine schwindelerregende Vermassung des Gulag.

Im Laufe dieses Prozesses entwickelte und verschärfte sich die repressive Gesetzgebung. Im Juni 1929, gleichzeitig mit der Massenkollektivierung, trat eine wesentliche Reform des Haftsystems in Kraft: Inhaftierte, die zu mehr als drei Jahren verurteilt worden waren, sollten in Arbeitslager geschickt werden. Angesichts der Bedeutung der inneren Migrationen wurde im Dezember die Einführung eines Inlandsreisepasses beschlossen. Einige Stunden nach der Ermordung Kirows (des Leningrader Parteivorsitzenden) verfaßte Stalin ein als „Gesetz vom 1.Dezember 1934“ bekanntes Dekret, das Schnellverfahren legalisierte und ein wichtiges Instrument des großen Terrors bildete.

Über die Vernichtung der städtischen und ländlichen Volksbewegungen hinaus liquidierte dieser bürokratische Terror, was vom Erbe des Oktober noch vorhanden war. Wir wissen, daß die Prozesse und die Säuberungen in die Reihen der Partei und der Armee deutliche Wunden geschlagen haben. Die Mehrzahl der Kader und Führer der revolutionären Periode wurde deportiert oder hingerichtet. Von 200 Mitgliedern des Zentralkomitees der KP der Ukraine gab es nur drei Überlebende. In der Armee wurden bis zu 30000 der insgesamt 178000 Kader verhaftet. Parallel dazu wurde der für die Repression und die Lenkung einer etatistischen Ökonomie erforderliche Verwaltungsapparat aufgebläht. Nach Moshe Lewin stieg das Verwaltungspersonal von 1450000 Personen 1929 auf 7500000 im Jahre 1939. Die Gesamtzahl der Angestellten stieg dabei von 3,9 auf 13,8 Millionen.

Die Bürokratie ist kein leeres Wort. Sie wurde eine soziale Kraft: der bürokratische Staatsapparat verschlang, was in der Partei an politisch Aktiven übrigblieb.

Diese Konterrevolution konnte man in allen Bereichen spüren, in der Wirtschaftspolitik (Zwangskollektivierung und gewaltige Entwicklung des Gulag), in der internationalen Politik (in China, Deutschland, Spanien), in der Kulturpolitik (siehe das Buch von Varlam Chalamov, Les Années vingt, wo der Kontrast zwischen diesen noch gärenden Jahren und die schrecklichen 30er Jahre betont wird), im Alltagsleben, mit dem, was Trotzki den „häuslichen Thermidor“ nannte, im Bereich der Ideologie (mit der Kristallisierung einer Staatsorthodoxie, der Kodifizierung des „Diamat“ und der Abfassung einer offiziellen Parteigeschichte).

Man muß eine Katze eine Katze nennen und eine Konterrevolution eine Konterrevolution, die viel massiver, viel sichtbarer, viel einschneidender war als die autoritären Maßnahmen, die, so beunruhigend sie auch gewesen waren, im Feuer des Bürgerkriegs getroffen wurden. Was Nicolas Werth betrifft, so ist er hin- und hergerissen zwischen der Anerkennung dessen, was es radikal Neues in diesen 30er Jahren gab, und seiner Absicht, eine Kontinuität zu konstruieren zwischen der revolutionären Verheißung des Oktober und der siegreichen stalinistischen Reaktion. Er spricht so von „der entscheidenden Episode“ bei der Errichtung des repressiven Systems oder von „der letzten Episode der Konfrontation, die 1918–1922 begonnen hatte“. Episode oder entscheidende Wendung, man muß sich für eines entscheiden.

Die Parteinahme für die Kontinuität führt dazu, die 20er Jahre und ihre Kontroversen zu überspringen, als wenn es sich um eine einfache Parenthese handelte. Die lineare Geschichte der Repression verläßt also ihren Zusammenhang. Sie verbannt die Konflikte um die entscheidenden Alternativen – in der internationalen Politik (die Orientierung während der chinesischen Revolution, die Haltung beim Aufstieg des Nazismus, der Bürgerkrieg in Spanien) wie in der Innenpolitik (die trotzkistische und bucharinistische Opposition gegen die Zwangskollektivierung, ökonomische und soziale Alternativen, die im Namen einer anderen Idee vorgeschlagen wurden, der Idee des Kommunismus!) in einen diffusen Hintergrund.

Konterrevolution und Restauration

Die Vorstellung der Konterrevolution beunruhigt manche unter dem Vorwand, daß sie nicht zu einer Wiederherstellung der früheren Verhältnisse geführt hat. Die historische Zeit ist nicht umkehrbar wie die der mechanischen Physik. Der Film läuft nicht rückwärts. Nach dem Thermidor bemerkte Joseph de Maistre, konservativer Ideologe während der Revolution und ein wirklicher Kenner in Sachen Reaktion, bereits treffend, daß eine Konterrevolution keine Revolution im entgegengesetzten Sinne ist, sondern das Gegenteil einer Revolution. Die beiden Prozesse sind nicht symmetrisch. Eine Konterrevolution kann so etwas neues und noch nie dagewesenes schaffen. Das war der Fall im Deutschland Bismarcks, nach dem Scheitern der Revolution von 1848. Ebenso war der Thermidor noch nicht die Restauration. Das Kaiserreich stellte eine lange Grauzone dar, wo sich die revolutionären Bestrebungen mit der Konsolidierung einer neuen Ordnung vermischten.

In eine analogen Grauzone haben sich unzählige aufrechte Kommunisten verirrt, die beeindruckt waren von den Erfolgen des „Vaterlands des Sozialismus“, ohne ihre Kosten zu kennen oder zu ermessen. Auch wenn man in den 30er Jahren über den stalinistischen Terror nicht alles wußte, so wußte man doch viel, vorausgesetzt, man wollte es wissen. Es gab die Zeugnisse von Victor Serge, von Anton Ciliga, den Gegenprozeß unter Leitung John Deweys, die Zeugnisse über die Repression gegen die Anarchisten und gegen die POUM in Spanien. Aber in diesen Zeiten des antifaschistischen Kampfes und des „bürokratisierten Heroismus“ (eine Formel von Isaac Deutscher) war es oft schwierig, gleichzeitig gegen den Hauptfeind und gegen den gar nicht so zweitrangigen Feind, der von innen siegte, zu kämpfen. Zahlreiche Akteure (Jan Valtin, Elizabeth Poretsky, Jules Fourier, Charles Tillon, die Überlebenden der „Roten Kapelle“ und viele andere) legen Zeugnis ab von diesen „zerrissenen Existenzen“.

Tatsächlich war die Sowjetunion unter Stalin nicht die Sowjetunion der Breshnewschen Stagnation. Sie veränderte sich rasch unter der Knute einer tatkräftigen Bürokratie. Das Geheimnis dieser Energie ist nicht ohne Beziehung zu jener napoleonischen Energie, die Chateaubriand faszinierte: „Wenn sich die Bulletins, die Reden, die Ansprachen, die Proklamationen Bonapartes durch Energie auszeichnen, so war es keineswegs die ihm eigene Energie; sie rührte vielmehr aus seiner Zeit, sie kam aus der revolutionären Inspiration, welche sich in Bonaparte abschwächte, weil er eine entgegengesetzte Richtung einschlug“ (Mémoires d’Outre-Tombe). Das ist übrigens nicht die einzige frappierende Analogie zwischen diesen beiden Persönlichkeiten: „Die Revolution, welche Napoleons Amme war, erschien ihm bald wie ein Feind: er hörte nicht auf, auf sie einzuschlagen“ (ebd.).

Niemals hat je ein Land der Welt eine so brutale Metamorphose durchgemacht wie die Sowjetunion in den 30er Jahren unter der Fuchtel einer pharaonenhaften Bürokratie: Von 1926 bis 1939 wuchsen die Städte um 30 Millionen Einwohner, und ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung stieg von 18 auf 33 Prozent. Während des ersten Fünfjahrplans betrug die Wachstumsrate 44 Prozent, praktisch so viel wie zwischen 1897 und 1926. Die Anzahl der Lohnarbeitenden stieg um mehr als 100 Prozent (von 10 auf 22 Millionen). Es bedeutete die massive „Verländlichung“ der Städte, eine enorme Anstrengung bei der Alphabetisierung und im Bildungswesen, die schnelle Durchsetzung einer Arbeitsdisziplin. Diese große Umwälzung wurde begleitet von einer Wiedergeburt des Nationalismus, einem Aufblühen des Karrierismus, dem Auftauchen eines neuen bürokratischen Konformismus. In diesem großen Durcheinander, ironisiert Moshe Lewin, war dies in einem gewissen Sinne eine „klassenlose“ Gesellschaft, denn alle Klassen waren formlos, dabei zu verschmelzen (La Formation de l’Union Soviétique, 1985).

Auf die wesentliche Frage von Michail Gefter – eine „kontinuierliche Entwicklung“ vom Oktober zum Gulag oder „zwei verschiedene politische und moralische Welten“ – gibt die Analyse der stalinistischen Konterrevolution eine klare Antwort. Die Periodisierung der russischen Revolution und Konterrevolution ist keine rein historische Wißbegier. Sie bestimmt die politischen Positionen, Orientierungen und Aufgaben. Vorher kann man von einem zu korrigierenden Irrtum sprechen, von alternativen Orientierungen in ein und demselben Projekt; später sind dies Kräfte und Projekte, die auseinandergehen, organisatorische Alternativen. Es handelt sich nicht um einen Familienstreit, der es ermöglicht im nachhinein die Opfer von gestern als Beweis eines „kommunistischen Pluralismus“ vorzuführen, der Opfer und Henker vereint. Die rigorose Periodisierung erlaubt so, um Gefters Formel aufzugreifen, „dem geschichtlichen Bewußtsein auf die politische Ebene vorzudringen“.

Eine „verfrühte“ Revolution?

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat eine These wieder Zuspruch gefunden: die Revolution sei von Anfang an ein zum Scheitern verurteiltes Abenteuer gewesen, weil sie verfrüht einsetzte. So Henri Weber in Le Monde (14.11.1997). Diese These findet man bereits sehr früh, in den Ausführungen der russischen Menschewiki und in den Analysen Karl Kautskys seit 1921. Letzterer schrieb, daß damals viel Blut, Tränen und Trümmer hätten vermieden werden können, wenn die Bolschewiki das gleiche Verständnis für „Selbstbeschränkung“ besessen hätten wie die Menschewiki, da sich darin der Meister zeige (Von der Demokratie zur Staatssklaverei, 1921).

Die Formulierung ist entlarvend. Kautsky polemisiert gegen die Vorstellung einer Avantgardepartei, stellt sich aber eine allmächtige Partei vor, die als Lehrerin und Pädagogin fähig ist, den Gang und den Rhythmus der Geschichte zu regeln. Als ob die Kämpfe und die Revolutionen nicht auch ihre eigene Logik hätten. Sie einer „Selbstbeschränkung“ zu unterwerfen, während sie sich entwickeln, heißt sich schnell auf die Seite der etablierten Ordnung wiederzufinden. Es handelt sich also nicht mehr um die „Selbstbeschränkung“ der Ziele der Partei, sondern schlicht darum, die Bestrebungen der Massen zu beschränken. In diesem Sinne haben sich die Ebert und Noske, als sie Rosa Luxemburg ermordeten und die bayrischen Räte zerschlugen, als die Virtuosen der „Selbstbeschränkung“ erwiesen.

Die Machteroberung vom Oktober 1917 war das Resultat der Unfähigkeit der liberalen Bourgeoisie und der Reformisten, auf die Krise von Gesellschaft und Staat eine Antwort zu geben. Michail Gefters Antwort auf die Frage „Gab es 1917 eine Wahl?“ ist weit fruchtbarer und überzeugender als die These von der „verfrühten Revolution“: „Die Frage ist von entscheidender Bedeutung. Nachdem ich viel über das Problem nachgedacht habe, wage ich es, eine kategorische Antwort zu geben: Es gab keine Wahl. Was damals stattfand, war die einzige Lösung, die sich einem Wechsel widersetzte, der unendlich blutiger gewesen wäre … Die Wahl hatte man danach. Keine Wahl, die das soziale Regime betraf, nicht den historischen Weg, den es einzuschlagen galt, sondern eine Wahl, die sich innerhalb dieses Wegs ergab. Es ging nicht um Varianten (das Problem war umfassender) noch um Stufen, die man erklimmen mußte, um den Gipfel zu erreichen, sondern um einen Scheideweg, um Scheidewege.“ Diese Wegkreuzungen ergaben sich ständig und sie riefen verschiedene und einander entgegengesetzte Antworten hervor: 1923 vor dem deutschen Oktober, zur NEP und zur Wirtschaftspolitik, zur Zwangskollektivierung, zur beschleunigten Industrialisierung und zu den Formen der Planung, zur Demokratie in Partei und Staat, zum Aufstieg des Faschismus, zum Krieg in Spanien, zum Hitler-Stalin-Pakt. Bei jeder dieser Prüfungen standen sich verschiedene Vorschläge, Programme und Orientierungen gegenüber, die von verschiedenen Optionen und anderen möglichen Entwicklungen zeugten.

In Wirklichkeit führt die Vorstellung einer „verfrühten“ Revolution unvermeidlich zur Idee einer gut geordneten und geregelten Geschichte, wo, wie bei einem Uhrwerk, alles zu seiner Zeit und gerade rechtzeitig abläuft. Diese Denkweise begibt sich auf das Niveau eines platten historischen Determinismus, den man den Marxisten so oft vorgeworfen hat, wonach die Basis genau einen entsprechenden Überbau hervorbringen würde. Man vergißt einfach die Tatsache, daß die Geschichte keine Schicksalsmacht ist, daß sie voller Ereignisse ist, die eine Palette von Möglichkeiten eröffnen – sicher nicht alle, aber wohl eine bestimmte Bandbreite von Möglichkeiten.

Bei der Lektüre des Schwarzbuchs gewinnt man den Eindruck, daß sich die Bolschewiki nach ihrem erfolgreichen Handstreich um jeden Preis an die Macht um der Macht Willen klammerten. Dabei wird vergessen, daß sie sich die russische Revolution niemals als ein isoliertes Abenteuer vorgestellt hatten, sondern als Auftakt zu einer europäischen und Weltrevolution. Wenn Lenin, wie es heißt, am 73. Tag nach der Machteroberung im Schnee einen Freudentanz aufgeführt hat, so, weil er nicht damit gerechnet hatte, länger standzuhalten als die Pariser Kommune. Die Zukunft der Revolution hing in seinen Augen ab von der Ausweitung der Revolution im europäischen Maßstab, insbesondere in Deutschland.

Die Erschütterungen in Deutschland, Italien, Österreich, Ungarn zwischen 1918 und 1923 zeugen von einer wirklichen europäischen Krise. Das mehrfache Scheitern der deutschen Revolution [1918, 1923] oder der spanische Bürgerkrieg, die Entwicklungen der chinesischen Revolution, der Sieg des Faschismus in Italien und in Deutschland – dies alles war nicht vorherbestimmt. Die russischen Revolutionäre waren für die Rückzüge und die Feigheit der deutschen und französischen Sozialdemokraten nicht verantwortlich.

Ab 1923 wurde klar, daß mit einer kurzfristigen Ausdehnung der Revolution in Europa nicht mehr zu rechnen war. Eine radikale Umorientierung setzte sich durch. Es kam zur Konfrontation der Thesen vom „Sozialismus in einem Land“ und der „permanenten Revolution“, die die Partei Mitte der 20er Jahre entzweite.

Ohne die anfängliche Legitimität der russischen Revolution zu bestreiten, behaupten manche, daß sie auf einer irrtümlichen Prognose und einer unmöglichen Wette beruhte. Es handelte sich jedoch nicht um eine Voraussage, sondern um eine Orientierung, die auf die Beseitigung der Ursachen des Krieges abzielte, indem sie das System, das ihn hervorgebracht hatte, stürzte. Die Schockwelle am Ende des Krieges – von 1918 bis 1923 – hat dies bestätigt. Nach dem Scheitern des deutschen Oktober [1923] hatte sich dagegen die Situation dauerhaft stabilisiert. Was also tun? Versuchen Zeit zu gewinnen, ohne die Illusion zu haben, „den Sozialismus in einem Land aufbauen“ zu können, das überdies ruiniert war? Allein darum ging es bei den Kämpfen der 20er Jahre. Darin besteht die gesamte politische Dimension der Frage, der Kern der Sache. Auf ökonomischer und sozialer Ebene brachte die NEP ein Element einer Antwort. Aber dazu hätte es ein kultivierteres Personal bedurft als jenes, das von den rabiaten Methoden des Kriegskommunismus geprägt war. Auf politischer Ebene wäre eine demokratische Orientierung nötig gewesen, die durch Wahlen unter Bedingungen eines Sowjetpluralismus die Legitimierung durch die Mehrheit angestrebt hätte. Auf internationaler Ebene war eine internationalistische Politik erforderlich, die die verschiedenen Kommunistischen Parteien nicht – vermittelt über die Komintern – den Interessen des Sowjetstaates untergeordnet hätte. Diese Optionen stellten sich, zumindest teilweise, dar. Sie nahmen nicht die Form friedlicher Debatten, sondern schonungsloser Konfrontationen an.

Die in diesen Kämpfen Unterlegenen hatten nicht Unrecht. Wenn man schon eine makabre Buchführung über die durchgeführten Revolutionen anstellen will, wie viel leichter ist es, die Kosten der gescheiterten oder geschlagenen Revolutionen zu rechnen: die abgewürgte deutsche Revolution von 1918–1923 und die besiegte spanische Revolution von 1937 stehen in Beziehung zum Sieg des Nazismus und zur Katastrophe des Zweiten Weltkriegs.

Um die wirkliche Verantwortung festzustellen und die Geschichte um die großen politischen Alternativen herum zu periodisieren, muß man diesen Faden aufgreifen und untersuchen. Dabei von einer verfrühten Revolution zu sprechen, läuft darauf hinaus, von der Warte eines historischen Tribunals aus ein Urteil zu verkünden, statt sich der inneren Logik des Konflikts und der sich gegenüberstehenden Richtungen zu stellen. Denn die Niederlagen sind ebensowenig Beweise von Fehlern oder Unrecht, wie die Siege Beweise der Wahrheit sind: „Wenn der Erfolg als Unschuld gälte, wenn er die Nachwelt so vereinnahmte, daß er sie in Ketten nähme, wenn die Zukunft, auf diese Weise von der Vergangenheit versklavt, gleichsam bestochen und zur Komplizin jedweden Erfolges würde, wo bliebe das Recht? Wo bliebe der Preis der Opfer? Gut und Böse wären nur relativ, jede Moralität menschlichen Handelns verschwände“ (Chateaubriand, Mémoires d’Outre-Tombe).

Wenn es kein jüngstes Gericht in der Geschichte gibt, kommt es darauf an, bei jeder großen Gabelung Schritt für Schritt den Weg einer anderen möglichen Geschichte aufzuzeigen. Dies erlaubt, die Vergangenheit zu begreifen und für die Zukunft Lehren aus ihr zu ziehen.

Was in zehn Tagen die Welt erschütterte, kann nicht ausgelöscht werden. Die Verheißung von Humanität, Universalität, Emanzipation, die im Feuer des Ereignisses aufschien, ist „zu sehr mit dem Interesse der Menschheit verwebt“, als daß es in Vergessenheit fallen könnte. Als verantwortliche Sachwalter eines Erbes, das vom Konformismus bedroht wird, ist es unsere Aufgabe, Verhältnisse herbeizuführen, wo es wieder „in Erinnerung gebracht“ werden kann.

Erstveröffentlichung: Daniel Bensaïd: Communisme et Stalinisme. Une Réponse au Livre noir du communisme. Supplement à Rouge, Nr. 1755 vom 20. November 1997. (Übersetzung: Manuel Kellner und Hans-Günter Mull.)

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